WAS MIR HOFFNUNG GIBT
Hoffnung ist unsere politische Superkraft – gerade in Zeiten, in denen das Nachrichtenhören wenig Freude macht und wir uns entmutigt fühlen. Begleitend zu unserem Manifest zur
Hoffnung starten wir deshalb unsere Reihe „Was mir Hoffnung gibt“ mit
persönlichen Reflektionen zum Mutmachen.

SEID WÜTEND!
Von Fine Hornbostel
Die Sonne strahlt durch das Fenster. Ich sitze in meiner Küche und versuche, die richtigen Worte zu finden. Ich bin müde. Ausgelaugt. Niedergeschlagen. Die Bundestagswahl und das Erstarken der AfD sitzen mir noch tief in den Knochen. Mein Kopf fühlt sich matschig an.
Tag für Tag prasseln Nachrichten auf mich ein, die an Absurdität und Wahnsinn kaum zu überbieten sind. Ein KI-generiertes Video namens „Trump Gaza“ schockiert international, genauso wie das schreckliche Video vom dem Eklat zwischen US Präsident Donald Trump und seinem Vize J. D. Vance mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj im Oval Office. Ein Ex-NPD-Jugendmitglied sitzt jetzt im Bundestag; ein weiterer, der sich als “freundliches Gesicht des Nationalsozialismus“gebrüstet hat. Die CDU greift mit ihrer “Kleinen Anfrage zu Nichtregierungsorganisationen“ die Gemeinnützigkeit von Organisationen an, die gegen Rechtsextremismus arbeiten und unsere demokratische Zivilgesellschaft mittragen. In Mannheim gab es erneut einen Anschlag …
Ich sehe die Schlagzeilen, aber sie rauschen an mir vorbei. Es fühlt sich an, als würde ich einen dystopischen Film schauen – als wäre ich nicht wirklich Teil dieser Welt, sondern nur eine Zuschauerin. Ich fühle Leere, wo vor Wochen noch Wut war. Wut auf das politische Geschehen, auf Parteien, auf einzelne Politiker:innen, auf Medien, auf Menschen, die unserer Demokratie schaden (wollen) und sie mit Füßen treten. Und doch – als wäre sie nie da gewesen – ist diese Wut einfach verpufft.
Wie soll ich Hoffnung verbreiten, wenn ich selbst Angst habe?
Eine Journalistin schrieb zwei Tage nach der Wahl in einem Newsletter, sie sei „wahlverkatert.“ Ich glaube, ich bin politikverkatert.
Die letzten Monate haben mir Angst gemacht. Trumps erneuter Wahlsieg und sein Kabinett des Horrors. Musks Einmischung in den deutschen Wahlkampf. Die hybride Kriegsführung Russlands in Deutschland. Die Tech-Oligarchen, die vor Trump einknicken. Die Anschläge in Magdeburg, Aschaffenburg, München und Mannheim. Ein Wahlkampf, der sich wie ein Wettbewerb ums Abschieben anfühlte. Die AfD, die in den Bundestag einzieht – als zweitstärkste Partei. Und all das vor dem Hintergrund eines sich weiter zuspitzenden Klimawandels.
Manchmal habe ich das Gefühl, die Welt fällt auseinander, während wir einfach nur dabei zusehen. Und ich? Ich sitze mittendrin – mit einem Job, der mir sagt: Verbreite Hoffnung.
Aber wie soll ich Hoffnung verbreiten, wenn ich selbst Angst habe? Wenn ich mich so machtlos fühle? Am Ende des Tunnels ist immer Licht, aber der Tunnel scheint nicht enden zu wollen
Vor der Bundestagswahl hat mich Wut angetrieben. Ich war, wie viele andere in Deutschland, auf Demos, habe Wahlveranstaltungen besucht, politische Diskussionen geführt, mich informiert. Ich war aktiv.
Aber jetzt? Jetzt will ich am liebsten nichts mehr hören. Keine Nachrichten mehr sehen. Keine Politik mehr diskutieren. Ich suche nach Hoffnung – und finde sie nicht.

Hoffnung ist eine Entscheidung, kein Gefühl
Hoffnung ist kein Gefühl, das einfach so kommt. Sie ist eine Entscheidung. Ein Akt des Widerstands.
Aber müde zu werden, sich zurückzuziehen, den Kopf abzuwenden und zu resignieren – das darf gerade jetzt keine Option sein, denn dann profitieren genau diejenigen, die unsere Demokratie schwächen und zerstören wollen.
Die Rechtsradikalen, der Kreml, die Trumps und Musks dieser Welt, die Konzerne, die das Klima für Profit zerstören, sie alle setzen darauf, dass wir aufgeben. Sie profitieren von unserer Angst, wenn wir uns von ihr beherrschen lassen und uns nicht wehren. Sie profitieren davon, wenn wir nicht mehr wütend werden, sondern einfach nur schweigen. Denn dann können sie einfach ungestört weitermachen. Ihr Erfolg gründet sich darauf, dass wir uns machtlos und furchtsam fühlen.
Wir sind stärker, wenn wir uns verbünden
Aber wir sind nicht machtlos. Und wir sind vor allem nicht allein.
Wenn ich genau hinschaue, sehe ich Menschen, die sich wehren. Die aufstehen, sich zusammenschließen, nicht schweigen. Ich sehe Hunderttausende, die in den vergangenen Monaten auf die Straßen gegangen sind, um für Demokratie, Menschenrechte und Klimagerechtigkeit zu kämpfen. Ich sehe Initiativen, die lokale Strukturen stärken, Journalist:innen, die unermüdlich aufklären, Aktivist:innen, die sich dem Rechtsruck entgegenstellen. Sie alle sind der Beweis, dass wir nicht alleine sind. Dass es eine Gegenbewegung gibt. Dass Hoffnung Widerstand ist.
Und doch bleibt die Frage: Warum fühlt es sich gerade so an, als würden wir an vielen Fronten gleichzeitig kämpfen müssen?
Die Antwort ist: Weil wir es tun. Klimakrise, Demokratiekrise, soziale Ungerechtigkeit – das sind keine getrennten Probleme. Sie sind eng miteinander verwoben. Das klingt überwältigend, aber es bedeutet auch: Wenn wir an einer Stellschraube drehen, bewegen wir viel mehr, als wir denken.
Wut ist das Gegenteil von Resignation und Hoffnungslosigkeit
All die Menschen, die nicht aufgeben und sich wehren, zeigen mir, dass ich nicht allein kämpfen muss, dass ich nicht allein die Lösung finden muss. Sie machen deutlich, dass wir viel stärker sind, wenn wir uns verbünden. Jede Stimme, jede Demonstration, jede Petition kann etwas verändern – nicht nur in einem Bereich, sondern in mehreren gleichzeitig.
Vielleicht ist es genau dieses Zusammenspiel aus Wut und Hoffnung, das uns antreibt. Der Kampf gegen das Erstarken des Rechtsextremismus, gegen die Zerstörung unserer Umwelt, gegen soziale Ungerechtigkeit – er ist nicht leicht. Aber er ist nötig. Und er ist möglich.
Er ist nötig, denn die Alternative – das Resignieren, das Augenverschließen, das Aufgeben „weil, was kann ich schon anrichten?” – ist eben keine Alternative.
Demokratie ist kein Geschenk
Demokratie ist kein Geschenk. Sie lebt davon, dass wir sie verteidigen. Dass wir laut werden, wenn sie bedroht ist, und gerade dann nicht aufgeben. Und dass wir Lösungen für die Klimakrise nicht auf Kosten der Schwächsten suchen, sondern gemeinsam – demokratisch, sozial gerecht und mit Blick auf eine lebenswerte Zukunft für alle.
Also nehmt euch ein paar Tage, um klarzukommen. Und dann heißt es mit einer gesunden Menge an Trotz weitermachen. Jetzt erst recht.
Das ist unsere Aufgabe. Und es ist ein Weg, den wir nicht allein gehen müssen. Deswegen mein Appell an euch: Seid wütend!
Sie möchten mehr Anregung zum Thema Hoffnung? Unser Manifest zur Hoffnung finden Sie here.
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