Von Klima-Angst zu Klima-Anfangen

Von Nils Fleischmann

Der Sommer war immer meine Lieblingsjahreszeit – laue Nächte, Eis essen, Baden im See. Doch mittlerweile denke ich, dass es in unseren Städten aus Beton und Glas immer unerträglicher wird. Damit bin ich nicht allein. 2021 befragten Wissenschaftler*innen der University of Bath zehntausend Menschen zwischen 16 und 25 Jahren aus allen Teilen der Welt. Die Ergebnisse sind alarmierend. Drei Viertel von ihnen haben aufgrund des Klimawandels Angst um ihre Zukunft. Fast die Hälfte, 45 Prozent, gaben sogar an, durch Klimaangst in ihrem alltäglichen Leben bereits beeinträchtigt zu sein.

Dabei ist Angst an sich wohl eine der evolutionär überlebenswichtigen Mechanismen, denen der Homo sapiens seinen Siegeszug zu verdanken hat. Hätten unsere Vorfahren keine Angst vor Säbelzahntigern verspürt und hätten wir nicht gelernt, mit Gefahren umzugehen, hätte die Menschheit wohl nie Häuser gebaut, Wohlstand entwickelt und selbst schlimmste Krankheiten bezwungen. Also: Danke Angst!

Bringt doch eh nichts mehr?

Bizarrerweise wären wir dann wohl auch nie in die Situation gekommen, das Weltklima überhaupt beeinflussen zu können. Und gerade beim Thema Klimakrise erreicht Angst heute in uns eher das Gegenteil von dem, wofür sie gemacht wurde. Statt uns mit aller Kraft gegen die Bedrohung zu stemmen, starren wir regungslos auf die Klimakrise wie das Kaninchen auf die Schlange.

Obwohl ich ein grundoptimistischer Mensch bin, frage ich mich: Wie soll ich, wie sollen meine Kinder und Kindeskinder in 50 Jahren noch auf diesem Planteten leben, wenn sich nichts ändert? Meine Stimmung ist dann eher Resignation als sprühende Begeisterung für eine nachhaltige Welt von morgen. Das gleiche Schulterzucken begegnet mir oft im Gespräch mit Freund*innen und Kommiliton*innen: Bringt doch eh nichts mehr.

Doch wenn die Klimaangst gleich doppelt problematisch ist, junge Menschen nämlich erstens emotional belastet und sie zweitens nicht ins Handeln kommen lässt, was hilft dann? Pathologisch ist die Angst nicht: Sie ist ja gerade nicht irrational, sondern in einer einwandfrei bewiesenen naturwissenschaftlichen Dynamik begründet. Fakt ist also: Die Klimaangst der Gen Z lässt sich nur bewältigen, indem wir das Klima retten – und dadurch uns selbst. Nichts weniger als das.

Nils und sein Opa

Wir brauchen mehr als Superaktivist*innen

Wenn wir etwas bewegen wollen, brauchen wir dabei mehr als eine kleine Avantgarde von grünen Superaktivist*innen. Über Trennendes hinweg müssen wir darüber sprechen, dass die Klimakrise uns alle trifft und wir ihr zusammen entgegentreten müssen. Wenn wir alle dasselbe Problem haben, müssen wir auch gemeinsam für eine Lösung kämpfen!

Wirklich wirkungsmächtig werden Individuen erst dann, wenn sie sich im Kollektiv organisieren. Und wir können kreativ sein in unserem Bemühen, die Strukturen für nachhaltige Lebensbedingungen zu schaffen. Wer sagt, dass das Engagement für eine nachhaltige Sanierung des lokalen Vereinsheims oder das Organisieren eines veganen Kochkurses im Bekanntenkreis weniger wert ist als der Einsatz in einer klassischen Partei?

(Groß-)Elternarbeit geht auch grün

Verschiedenste Menschen vereinen verschiedenste Perspektiven, Begabungen, Erwartungen und Hoffnungen. Das alles zu vereinen, ist nicht immer einfach, aber soziale Strukturen profitieren von dieser Pluralität. Auch die Klimabewegung muss es manchmal aushalten, über die richtigen Wege und Methoden zu streiten. Während der eine sich auf Demonstrationen eher unwohl fühlt, ist die andere bereit zu zivilem Ungehorsam wie Sitzblockaden. Wieder andere überzeugen ihre Eltern und Großeltern, dass eine Wärmepumpe besser ist als wieder eine Gasheizung.

Von vegan bis Wärmepumpe

Meine Freund*innen und ich stehen vor der Berufswahl. Auch die bietet zahlreiche Möglichkeiten, sich gemeinsam mit anderen fürs Klima zusammen zu tun. Die Fragen `Was macht mir Spaß?` und `Was kann ich gut?´ haben mir geholfen festzustellen, dass ich meinen Beitrag kommunikativ bei Talking Hope leisten möchte und kann. Wir sehen uns als Transformationsmanufaktur und denken darüber nach, welche strategischen Schritte nötig sind, um bei Klimathemen möglichst viele mitzunehmen. Dies ist mein Weg. Ein handwerklich begabter junger Mensch hingegen kann praktisch anpacken und etwa beruflich Wärmepumpen installieren.

Ein schönes Bild, von dem ich gelesen habe, möchte ich noch teilen: Statt in individuellen ökologischen Fußabdrücken, sollten wir in ökologischen Handabdrücken denken. Wo hat mein Handeln einen positiven Einfluss, inspiriert und empowert Menschen auf ihre einzigartige Weise, für das Klima aktiv zu werden? Mein Hoffnungsrezept ist, gemeinsam mit anderen aktiv werden. Das gibt Kraft und macht mir Hoffnung, dass wir gemeinsam nicht nur unsere Klimaangst überwinden, sondern auch eine gerechtere und lebenswerte Welt mitbauen können.

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