Zum Abendbrot

NICHT NUR GEREDE 

Von Eva-Maria McCormack

Quatschen mit den Nachbarn, Gespräche mit Freunden, Stories von Bekannten, die schon einen Schritt weiter sind: Neue Forschungsergebnisse von Verhaltenspsychologen der Universitäten Yale, Cambridge und Göteborg zeigen, das es vor allem dies ist, was uns dazu bringt, unser Verhalten in Umwelt- und Klimafragen zu verändern.

Die im Fachmagazin PNAS veröffentlichte Studie zeigt, dass es weder immer höhere Berge von Daten und Zahlen, noch Appelle an unsere Vernunft, noch das vermeintliche „Wissen, was richtig ist" sind, wenn es darum geht, nachhaltigere Gewohnheiten und Lebensstile zu finden. Faktenwissen ist selbstverständlich wichtig. Doch das Beispiel der Menschen um uns herum ist der weitaus bessere Anreiz für Veränderung.

Vielleicht haben Sie das auch schon erlebt: Auf einer Fahrt übers Land entdecken Sie ein Dorf, in dem ein Haus nach dem anderen eine Solaranlage auf dem Dach trägt, während es im nächsten Dorf nur ein paar Kilometer weiter nicht ein einziges Haus damit gibt?

Oder Ihr Bruder hat bei der Renovierung seines Hauses eine neue Heizung eingebaut: Sie feiern das Ende der Bauarbeiten, und während er Ihnen erzählt, wie es gelaufen ist und wie viel Geld er jetzt einspart, beschleicht Sie immer mehr der Gedanke: Vielleicht sollte ich das auch tun? Und plötzlich reden Sie über Zahlen und Einsparungen und Tipps zu guten Handwerkern und Wärmepumpen ...

Jede*r, der sich schon einmal ernsthaft vorgenommen hat, Gewohnheiten zu ändern - sei es nun, wirklich morgens joggen zu gehen oder endlich abzunehmen - weiß, dass dies leichter ist, wenn man es nicht allein angeht. Wenn man sich von anderen inspirieren lässt. Oder wenn man schlicht unter Gruppenzwang zu stehen scheint, weil all die anderen um einen herum es auch tun.

Die Transformationsforschung zeigt, dass große Veränderungen in der Gesellschaft nach einem ähnlichen Muster ablaufen: Den Anfang machen einige Wenige. Dann folgen Andere. Ein Verhalten wird zur Norm. Es abzulehnen, erscheint immer gestriger. Und plötzlich fragen wir uns, warum wir jemals anders gehandelt haben.

Der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit, den Klima- und Biodiversitätskrise uns abverlangen, erfordert natürlich mehr als einzelne Personen oder individuelle Verhaltensänderungen. Es bedarf politischer Regulierung, neuer wirtschaftlicher Standards und einer umfassenden gesellschaftlichen Transformation. Aber letztendlich entsteht und wächst politischer Druck durch jeweils einzelne Menschen, die sich zu sozialen Gruppen und dann zu Bewegungen entwickeln. „Soziale Ansteckung“, so nennt es die US-amerikanische Klimakommunikationsexpertin Susan Joy Hassol.

Ist es nicht inspirierend, dass unsere Gestaltungs- und Veränderungsmacht mit etwas so Einfachem wie dem Gespräch beginnt?

Die Studie von Magnus Bergquist, Maximilian Thiel, Matthew H. Goldberg und Sander van der Linden, die auf den Ergebnissen von 430 Einzelstudien über umweltbezogenes Verhalten aufbaut, zeigt:

  • Schon im persönlichen Gespräch bewirken wir Veränderung.
  • Eigene Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit wirken ansteckend, wenn wir Anderen davon erzählen und nicht bei Ängsten oder Weltuntergangsszenarien angesichts der Klimakrise stehenbleiben.
  • Und vor allem: Jede*r hat die Macht, Veränderungen zu bewirken.

Diese Forschung macht Mut. Sie entspricht den Zielen, die wir bei Talking Hope verfolgen. Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen und Gruppen in die gesellschaftliche Debatte über Klima und Nachhaltigkeit einbezogen werden, die bisher weitgehend ausgeschlossen sind. Wir arbeiten daran, durch Dialog, Partizipation und Kooperation Wege zu finden, die den Wandel zur Nachhaltigkeit voranbringen. Und wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch Macht und Selbstwirksamkeit hat. Jede*r kann eine Kraft des Wandels sein.

Laden wir zum Essen ein. Reden ist nicht nur Silber, es ist Gold. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der knorrige Nachbar und die schräge Kusine sogar zuhören.


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