In Gottes Namen

"AN ALLE MENSCHEN GUTEN WILLENS"

Von Anna-Zoë Herr und Eva-Maria McCormack

Der amerikanische Radiomoderator Rush Limbaugh, der mit seinen Sendungen bis zu seinem Tod 2021 wöchentlich ein millionenstarkes Publikum erreichte, präsentierte sich gerne als gläubiger Christ - und als Leugner des Klimawandels. Um die menschengemachte Erderhitzung abzustreiten, legte er sich gerne mit hochrangigen Klimaaktivisten wie Al Gore an oder unterstellte, das Gerede von der Klimakrise sei in Wahrheit nur eine linksgrüne Kampagne, um Steuererhöhungen durchzusetzen. Vor allem aber, so versicherte Rush Limbough seinen Zuhörern gerne, sei Gott schließlich allmächtig und „deswegen könnten wir die Erde nicht zerstören, selbst wenn wir es wollten". Gleich ihm, predigen auch andere, meist konservative Evangelikale in den USA, dass die Vorstellung eines vom Menschen verursachten Klimawandels die Allmacht Gottes in Frage stelle. Und Gottes Allmacht in Frage zu stellen, wäre ketzerisch, protestieren sie.

Wenn es um den Klimawandel geht, ist Glauben offenbar kompliziert. Papst Franziskus wird von katholisch Gläubigen in aller Welt als apostolischer Nachfolger des heiligen Petrus angesehen, auserwählt von Jesus selbst, seine Kirche zu leiten. Seine in dieser Woche veröffentlichte Enzyklika "Laudate Deum" steht jedoch in krassem Gegensatz zu Behauptungen, wie sie von Evangelikalen wie Limbaugh gepredigt werden. Für Christinnen und Christen, die sich um die Klimakrise sorgen, hat Franziskus hingegen ein Vermächtnis geschaffen, denn er hat die Dringlichkeit des Klimaschutzes in eine Botschaft über Glauben, Humanität und Hoffnung übersetzt.

VON EIGENINTERESSEN ZUR SORGE UM DAS GEMEINSAME HAUS

Das päpstliche Schreiben, dessen Titel übersetzt "Gott sei gelobt" bedeutet, knüpft an Franziskus‘ frühere Enzyklika "Laudato si'" von 2015 an, welche den Untertitel "Über die Sorge für das Gemeinsame Haus" trägt. In seiner neuen Botschaft "an alle Menschen guten Willens zur Klimakrise" legt Franziskus dar, dass es bei der Bewältigung der Klimakrise im Wesentlichen um Beziehungen geht.

Die Enzyklika präsentiert eine erstaunlich breite Faktensammlung, eingebettet in philosophische, politische, theologische und spirituelle Betrachtungen. Im Kern steht jedoch die Botschaft, dass die Verbundenheit der Menschen untereinander und mit der Umwelt zusehends von einem Weltbild zerstört wird, das von Besitzstandswahrung, Gewinnorientierung und technokratischem Denken besessen ist. „Bedauerlicherweise ist die Klimakrise nicht gerade eine Angelegenheit, die die großen Wirtschaftsmächte interessiert, die sich um den höchstmöglichen Profit zu den geringstmöglichen Kosten und in der kürzestmöglichen Zeit bemühen“, so klagt Franziskus. Immer wieder nimmt er in seinem Brief kein Blatt vor den Mund: “Das große aktuelle Problem ist, dass das technokratische Paradigma diese gesunde und harmonische Beziehung [des Menschen zu seiner Umwelt] zerstört hat." Was er im Wesentlichen tadelt, ist der ungezügelte Gebrauch von Macht.

BRUNNEN DER HOFFNUNG, QUELLE FÜR’S HANDELN 

Bemerkenswerterweise aber belässt es Franziskus nicht bei Kritik. Das ist bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass die öffentliche Debatte zur Klimakrise inzwischen einem Chor von immer beängstigenderen Untergangsszenarien gleicht. Franziskus aber verbindet die Radikalität seiner Botschaft mit Hoffnung. Verwunderlich ist das vielleicht nicht bei einem Papst, der aus der Heimat der Befreiungstheologie stammt, die radikales soziales Engagement als Teil ihres theologischen Auftrags verstand. Schöpft Gesellschaftskritik nicht letztlich immer aus einer Quelle der Hoffnung, aus der tiefen Überzeugung, dass sozialer Wandel möglich ist?

Franziskus zielt seine Darlegung zu einer Vielzahl von klimaspezifischen Entwicklungen auf die „sublime Gemeinschaft“ der Welt ab, die als Unterbau unserer Existenz "kein Produkt unseres Willens" ist, sondern die "Wurzel unseres Seins" ausmacht. Das vernetzte "gemeinsame Haus", in dem wir fühlen und leben, sei auch unser Grund zur Hoffnung. Das "Gotteslob" des Papstes strahlt einen sehr nicht-institutionellen, sehr persönlichen Glauben aus - einen Glauben, der angesichts der Größenordnung der Klimakrise auch einen Anker bietet. Und wir möchten hinzufügen: einen Glauben, der es nicht für nötig hält, die Allmacht Gottes zu verteidigen.

Aber die Hoffnung und der Glaube, von der Franziskus spricht, sind kein Schuppen zum Schutzsuchen und keine Einladung, sich vor der Welt zu verkriechen. Sie sind vielmehr ein Aufruf zur Tat: „Zu sagen, dass man sich nichts zu erwarten braucht, gliche einer Selbstverstümmelung, denn es würde bedeuten, die gesamte Menschheit, insbesondere die Ärmsten, den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels auszusetzen.“ Selbst kleine individuelle Veränderungen führen zur Integrität des Ganzen, so Franziskus. Hoffnung und Handeln in der Klimakrise ist eine Frage von Solidarität und Verantwortung für das Ganze.

SCHÄDLICHER EXZEPTIONALISMUS VERSUS HOFFNUNGSVOLLE DEMUT

Franziskus verwirft die neuzeitliche Vorstellung, dass der Mensch über allem steht, und fordert uns auf, uns nicht als Krone, sondern als Teil der Schöpfung zu sehen. „Das menschliche Leben, die Intelligenz und die Freiheit sind in die Natur eingebettet, die unseren Planeten bereichert, und sie sind Teil seiner inneren Kräfte und seines Gleichgewichts." Die ökologische Gesundheit hänge von diesen Beziehungen ab, sagt er. Durch sein Schreiben zieht sich der fundamentale Gedanke, „dass die ganze Welt eine ‘Kontaktzone‘ ist“, ein Teppich, der durch die Beziehungen aller Lebewesen und Elemente untereinander geknüpft ist.

Und wie sollten wir uns in diesen Beziehungen verhalten? Demütig, so sagt Franziskus. In der Demut liege unsere Stärke als Menschen, so lautet die implizite Botschaft des „Gotteslobs“. Demut ist die Gegenkraft zu den Ursachen und Manifestationen unserer Krise: dem Kreislauf aus Armut und monopolisierenden Privilegien, technokratischer Hybris und wirtschaftlichem Größenwahn. Mit der Kraft der Demut und durch die Beziehungen, die wir mit anderen Lebewesen und unserem gemeinsamen Haus gestalten, können wir Wirkung entfalten und positive Veränderung schaffen. Hoffnung ist hier keine Platitüde, sondern der Weg eines jeden, Verantwortung zu übernehmen.

Amen dazu.

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