HOFFNUNG.
EIN MANIFEST
FÜR AUFBRÜCHE.


Ein Gespenst geht um in unserer Zeit – das Gespenst der Hoffnungslosigkeit.
Wir sollten ihm keine Macht über uns geben.

HOFFNUNG.
EIN MANIFEST
FÜR AUFBRÜCHE.

Ein Gespenst geht um in unserer Zeit – das Gespenst der Hoffnungslosigkeit. Wir sollten ihm keine Macht über uns geben.

Wenn die Angst am Ärmel zerrt, ist es schwierig, die Gedanken frei fliegen zu lassen. Angst lähmt. Hoffnungslosigkeit macht stumm. Einsamkeit verhindert mutmachendes Miteinander.  

Wir leben in einer Zeit des Wandels: Unsere Demokratie steht unter Druck. Ungleichheit grassiert in unserer Gesellschaft. Die Künstliche Intelligenz überholt unsere menschlichen Möglichkeiten. Und alles umspannend, gefährdet die Klimakrise unsere Lebensbedingungen. Neues Denken und neue Lösungen sind gefragt. 

Gemessen an den Lebenssituationen früherer Menschen leben wir im Globalen Norden gleichzeitig in einer Zeit riesigen Fortschritts an Wohlstand, Bildung, Gesundheit, Technologie und Sicherheit.  

Dennoch scheint Angst heute unsere Grundbeziehung zur Welt zu sein. Wir zweifeln an uns selbst, der Zukunft und der Demokratie. Das Gefühl, „eh nichts tun zu können“, steht wie eine Hürde vor den Augen vieler – und es verhindert Austausch und Einigung auf neue Wege zu mehr Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. 

Dies ist ein Aufruf zur Hoffnung. Denn Hoffnung ist politisch: Sie ist die Brücke zu neuen Aufbrüchen, Mut zu Veränderung und Freiheit. Sie leugnet nicht, dass unsere Zukunft ungewiss ist – doch sie umarmt unsere Fähigkeit, das Leben und unser Miteinander zu gestalten. Zehn Thesen: 

Wer über Hoffnung reden will, hat zunächst viel aus dem Weg zu räumen – allem voran die mal mitleidige, mal sarkastische, aber fast immer im Duktus patriarchalischer Überlegenheit geäußerte Unterstellung, naiv zu sein.  

Doch Hoffnung ist kein rosaroter Optimismus. Sie ist keine Flucht vor den realen Problemen unserer Zeit. Sie ist keine freiwillige Blindheit angesichts unserer scheinbaren Unfähigkeit, an einen Tisch zu kommen und diese Probleme als Menschheit gemeinsam anzugehen.  

Hoffnung stellt zunächst einmal fest: Wir leben. Unsere Geschichte ist noch nicht zu Ende. Zynismus gegenüber Hoffnung hingegen propagiert den Stillstand: Er ist nicht mehr als Apathie und Faulheit im Angesicht von Ungerechtigkeit und Not.  

Der Vorwurf der Naivität erstickt zugleich den Widerspruch. Er bringt das Anders- und Neudenken zum Schweigen. Statt neue Wege zu eröffnen, zementiert Hoffnungslosigkeit den Status Quo. Sie schreibt bestehende Strukturen fort und legitimiert damit bestehende Machtverhältnisse. Die erschöpfte Gesellschaft wiederholt sich selbst. 

Kein Wunder also, dass die Propagandisten der Angst vor allem unter den Autokraten zu finden sind: Angst macht Menschen folgsam und manipulierbar. Hoffnungslosigkeit heißt übersetzt Machtlosigkeit – und Machtlosigkeit dient der Macht. Sie stärkt die Dominanz derjenigen, die kein Interesse an Veränderung, Neugestaltung und Teilen haben. 

Wir leben. Doch wir leben im Ungewissen. Wir kennen den Fortgang unserer eigenen Geschichte nicht. Das macht Angst. 

Durchbrechen wir aber unsere Angst – als Einzelne, als Gesellschaften, als Menschheit –, so haben wir die Freiheit, unsere eigene Geschichte mitzuschreiben, deren Verlauf offen und nicht zwangsläufig ist. Nicht nur das: Wir Menschen können Sinn, Gemeinschaft und Freude darin finden, unser Leben und unser Miteinander (anders) zu gestalten. 

Hoffnung ist das Vertrauen auf diese Möglichkeit, die uns Menschen genauso zu eigen ist wie lähmende Angst angesichts eines unsicheren Ausgangs.  

Hoffnung ist die Bereitschaft, ins Offene zu handeln. Wo der Zynismus Stoppschilder aufstellt, eröffnet sie Landkarten an Möglichkeiten und lädt zu Fantasie und Vorstellungskraft ein. Sie lässt Veränderung zu, Neues und Anderes. In den Worten der amerikanischen Schriftstellerin Rebecca Solnit: Sie gründet sich darauf, dass wir nicht wissen, was geschehen wird, und dass „im weiten Raum der Ungewissheit Platz zum Handeln ist“.

Dass wir in unsicherer Hoffnung handeln, also weder allmächtige Götter noch durchprogrammierte Roboter sind, macht Angst. Zugleich aber ist es entlastend – und hilfreich enttäuschend.  

Wenn kein Einzelner mit Sicherheit fähig ist, Antworten zu finden, ist auch keiner allein zuständig, Antworten zu liefern. Dies ist eine Einladung zur Zusammenarbeit – und ein mächtiges Argument für Dialog, Diversität und Demokratie: Denn wer vorgaukelt, alleiniger Heilsbringer zu sein, der lügt. Wer vormacht, es gebe nur (s)einen richtigen Weg, der betrügt. Alles Absolute, alles Extreme, jedes Dogma und jeder Stein der Weisen ist ein falsches – und ein faules – Versprechen. 

Hoffnung kommt im Plural: Der Weg nach vorne zu Lösungen geht nur über Kompromiss und Komplementarität, über die Bereitschaft, das verbindende große Ganze und das gemeinsame Wohl zu sehen. Das gilt im Kleinen wie im Großen.  

Es gilt erst recht, wenn es um die Erde als das gemeinsame Zuhause aller Menschen geht.

Es gibt keinen Stein der Weisen, aber viel Geröll an Hoffnung. Die Geschichte ist voller Beispiele, in denen positive Gestaltung gelungen ist oder sich durchsetzt. Sie ist ein ganzer Steinbruch mutmachender Geschichten, aus denen wir schöpfen können: Die Abschaffung der Sklaverei. Die Emanzipation des Individuums und die gesetzliche Verankerung von Bürgerrechten. Die Ablösung aus absolutistischen Herrschaftsstrukturen und das Recht auf Religionsfreiheit. Das Frauenwahlrecht und die wachsende Gleichberechtigung von Frauen. Rechte für Arbeiter und Gewerkschaften zu ihrem Schutz. Rechte für Kinder. Rechte für Menschen vielfältiger sexueller Orientierung und Identität.   

Der Blick in die Geschichte zeigt auch, dass der Mensch eben kein Wolf unter Wölfen ist. Ob persönliche Tragödie oder großes Unglück – unser aller erster Impuls ist in der Regel helfen. Es ist realistisch anzunehmen, dass die meisten Menschen guter Absicht sind, dass Engagement sich lohnt und Großherzigkeit gewinnen kann. 

Zynismus und Misstrauen hingegen sind Impulse, die vor allem politisch und medial beflügelt werden. Sie dienen denen, die ihre Macht dadurch festigen, dass sie Misstrauen säen und Menschen gegeneinander ausspielen.  

Bürgerinnen und Bürger aber, die sich ein gutes Miteinander und uns allen eine bessere Welt zutrauen, wollen mehr als den Status quo. Hoffnung ist politisch – weil sie Handeln ermöglicht.

Schaut man auf die langen Linien der Geschichte, dann haben die großen sozialen Errungenschaften eines gemeinsam: Sie begannen stets mit den Träumen Einzelner, dann geteilten Vorstellungen von einem besseren Leben und der ungemeinen Zugkraft von Hoffnung auf diese neue Zukunft. 

Trotz der Tatsache, dass der Ausgang ungewiss war, hat die Sehnsucht nach einem besseren Morgen Menschen Altvertrautes aufgeben und zu neuen Ufern aufbrechen lassen. Sie hat sie Konflikte lösen und Widrigkeiten aushalten lassen. Und im Übergang zwischen dem Verlust des Vertrauten und der Sicherung des Neuen haben Menschen dabei Ozeane an zusätzlicher Unsicherheit durchquert.  

Hoffnung auf ein besseres Morgen ist nicht naiv, auch wenn diese Zukunft zuerst unerreichbar scheint. Im Gegenteil: Träume treiben Transformation. Sie entfachen die Kraft und Kreativität für wirklich Neues. Sie entkoppeln uns von den Bedingungen des Bestehenden und eröffnen den Raum, die Zukunft neu zu denken und anders zu gestalten. 

Ihre Macht liegt darin, uns immer wieder die Kernfrage vor Augen zu rücken, von der Transformation ausgeht: „Wie möchten wir eigentlich leben?“ Es ist die Sehnsucht nach einem besseren Morgen, die uns das Heute verändern lässt.

Wir müssen ent-lernen und umlernen, um neue Zukunftsgeschichten zu schreiben. Getrieben von selbstverordneten Rationalisierungszwängen haben wir unsere Vorstellungen von Kreativität verengt auf technische Neuerung, industrielle Produktivität und wirtschaftliches Wachstum. Soziale Fragen, menschliches Miteinander und Gemeinwohl sind dabei ins Hintertreffen geraten. 

Verengt auf diese Denkweise ist Zukunftsgestaltung heute allenfalls die technologische Perfektionierung des Bestehenden. Sie gaukelt uns vor, dass die bestmögliche Ordnung bereits erreicht ist. Statt die Messlatten unseres gesellschaftlichen Miteinanders neu zu verhandeln, blendet sie den Menschen aus. Wo Leben sein sollte, regiert Zahlenwerk.  

Wir haben vergessen, dass auch die Formen unseres Zusammenlebens und unseres Wirtschaftens Ergebnisse menschlichen Wirkens sind. Sie sind keine Naturgesetze, sondern Produkte der Geschichte. Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme lassen sich verändern. Wir haben nicht nur das Recht, sondern auch die berechtigte Hoffnung, sie zu verbessern und neu zu gestalten – und dabei das Wohl aller in den Mittelpunkt zu rücken.

Um die Krisen unserer Zeit zu bewältigen, brauchen wir neue Zukunftsgeschichten: Zukunftsbilder, die wieder an die Kernfrage unseres Lebens anknüpfen: „ Wie möchten wir eigentlich leben? “ Zukunftsgeschichten, die zu einem nachhaltigen, friedlichen und fairen Zusammenleben der Menschen in unserem gemeinsamen Zuhause, der Erde, einladen. Transformationsgeschichten, die Lust machen, sich für dieses Morgen einzusetzen.  

Solche Geschichten lassen das rationalisierungsbesessene Denken unserer Zeit hinter sich und stellen den Menschen und unser Miteinander in den Mittelpunkt. Es sind große Geschichten, denn sie zielen auf das bestmögliche Szenario – und gerade, weil sie das Bestmögliche wollen, beziehen sie das nachhaltige Wohl aller ein. 

Große Zukunftsgeschichten machen Sinn und stiften Sinn, bevor sie ihre Machbarkeit zur Debatte stellen. Sie setzen auf eine Zukunft, die unmöglich erscheinen mag, die aber alle Kräfte freisetzt, auf sie hin zu arbeiten. Sie sind zugleich gewaltig und demütig angesichts ihres offenen Ausgangs. In den Worten Vaclav Havels: „„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“  

Wir sollten den Mut zu großen Zukunftsgeschichten haben, die zwar nicht verfügbar, aber möglich sind. Träume werden nicht wahr, weil sie vorherbestimmt sind, sondern weil sie die Zugkraft von Hoffnung tragen, die das Unmögliche möglich machen kann.

Die realen Fortschritte in Wohlstand, Gesundheit, Bildung und Technologie seit der Industrialisierung haben uns eingeflüstert, dass das Leben und unsere Umwelt beherrschbar seien. Dieser Trugschluss hat uns neue Alpträume beschert: Denn wer sich ein Anrecht auf Sicherheit einredet, den verunsichern die heutigen Krisen umso mehr. 

Wir sind keine Ingenieure einer Zukunft, die einfach unseren Bauplänen gehorcht. Doch das heißt nicht, dass wir Zukunft nicht gestalten können. Zukunftsmut und Zukunftsdemut gehören zusammen – ebenso wie Hoffnung und Angst. 

Verabschieden wir uns von der Anmaßung, über die Zukunft verfügen zu wollen! Schauen wir auf den Sinn, den unser Handeln macht. Lassen wir die Transformationskraft guter Zukunftsträume zu. 

Hoffnung heißt, nicht gegen die Angst, sondern mit Angst und Unsicherheit zu leben – und sich dennoch einzusetzen für eine bessere Zukunft. Hoffnung ist nicht furchtlos, doch sie entscheidet sich für den Mut, ins Offene zu handeln. 

“Was kann ich schon tun?“ Verweigern wir uns dieser Frage! Sie ist der größte Verbündete derer, die die Lösung heutiger Krisen verhindern, verschleppen oder aussitzen. 

Veränderung beginnt im Kleinsten – und ihre Werkzeuge sind die Begegnung und das Gespräch. „I have a dream, ich habe einen Traum“, sagte Martin Luther King und sprach mit Anderen. Aus einigen Wenigen wurden mehr. Und mehr. Und mehr. 

Immer wieder zeigt die Geschichte dieses Muster – bis das vermeintlich Unmögliche zur Norm wird und seine Ablehnung immer gestriger erscheint. Und plötzlich fragen wir uns, warum wir jemals anders dachten oder handelten. 

Soziale Ansteckung funktioniert. Systemwandel erscheint nur von innen erlebt, im Schneckentempo vonstattenzugehen. Historisch betrachtet geschieht er jedoch vielfach umwälzend und schnell. 

Das macht Hoffnung und Mut: Mit jedem Gespräch stoßen wir eine Kette an, die fortwirkt, auch wenn ihre Ergebnisse nicht mechanisch eintreten. Wir verstärken Veränderung und setzen sie auf oft wundersame, zufällige Weise fort. 

Das Persönliche ist politisch: Ein Einzelner, der nicht schweigt, der nicht zynisch reagiert, sondern ermutigt, der tröstet, der träumt – dieser Einzelne kann die Welt verändern.

Geben wir der Hoffnungslosigkeit keine Macht. 

Wir haben Grund zur Hoffnung. 

Denn Hoffnung auf Morgen verändert das Heute. 

Träumen wir Zukunftsgeschichten! 

Große Geschichten von einem guten Leben für alle. 

Seien wir zukunftsmutig – und zukunftsdemütig. 

Geben wir der Hoffnungslosigkeit keine Macht. 

Wagen wir zu träumen, 

Wagen wir zu hoffen,  

Handeln wir! 

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