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Warum wir eine sozial inklusive Klimakommunikation brauchen

Von Eva-Maria McCormack

Die Klimakommunikation braucht eine Neuorientierung. Aktuell machen dies zwei zentrale Beobachtungen im Klimaschutz deutlich.

Auf der einen Seite steht die Feststellung, dass sich eine überwältigende Mehrheit der Menschen weltweit deutlich mehr und schnelleren Klimaschutz wünscht: Entgegen der öffentlichen und politischen Wahrnehmung stehen 90 Prozent der Menschen hinter dieser Forderung, so das Ergebnis einer internationalen wissenschaftlichen Umfrage, die in diesem Jahr im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlicht wurde.

Auf der anderen Seite steht die immer größer werdende Sorge vor Rückschlägen in der Klimapolitik angesichts der Wahlerfolge von klimaschutzkritischen, populistischen und extremrechten Parteien in Deutschland, Österreich und anderswo in Europa.

Fakt ist: Das Thema Klimaschutz, das 2019 im Zuge des Erfolgs von Fridays for Future so manche Wahl in Europa prägte, ist heute von anderen Themen überschattet. Gerade mal an Platz vier steht es laut einer internationalen Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung aus diesem Jahr.

Das Spitzenthema 2024: Armut, nicht Klima
Was die Menschen 2024 vor allem umtreibt, sind soziale Fragen: Wie teuer wird die Energie? Wie hoch steigt die Inflation? Ist meine Rente sicher? Was kann ich mir noch leisten? Angst vor Armut ist die größte Sorge der Menschen, so die Eurobarometer-Umfrage vom April dieses Jahres.

Fakt ist auch: Solche Sorgen sind in der Klimapolitik in der Vergangenheit oft erst nachgeordnet diskutiert worden. Die Klimadebatte wird zudem vorrangig von städtischen und akademischen – mit anderen Worten: sozial meist eher besser gestellten – Menschen geführt. Und der Diskurs über Klimalösungen präsentiert sich noch immer eher technologie-orientiert als menschenzentriert.

Sozialpolitische Verführung: die Anti-Klima und Anti-Demokratie Akteure
Diese Tatsachen haben sich vor allem die politischen Gegner:innen entschiedener Klimaschutzpolitik zunutze gemacht. 

Wir erleben nicht nur eine unheilige Allianz von anti-Klimaschutz und populistischen – und damit letztlich anti-demokratischen – Argumentationen. Diese Argumentationen bedienen sich auch zunehmend sozialpolitischer Narrative. Dies zeigte etwa eine von Talking Hope durchgeführte Diskursanalyse der parteipolitischen Kommunikation zum Heizungsgesetz 2023: Die AfD-Parole „Habeck nimmt es den Armen und gibt es den Reichen“ war dabei keineswegs das einzige Beispiel. Ähnliche Argumentationslinien wurden auch von FDP und CDU geäußert. Die. Kampagne vor allem der Springer-Medien gegen das Heizungsgesetz folgte ebenso diesen Mustern.

v. l. n. r. Jenny Bischofberger, Eva-Maria McCormack und Anna-Zöe Herr auf dem K3 in Graz

Umbruchzeiten, Zeitenwenden, gesellschaftliche Transformationen verunsichern. Das war schon immer so, ob in der Reformation, zu Zeiten der Industrialisierung oder heute. Der heute drängende Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft trifft Menschen in all ihren Lebensbereichen. Und ja, er kostet auch – auch wenn erneuerbare Energien am Ende Ersparnisse für den Einzelnen bedeuten.

„Wieviel Karotte muss ich dem Esel geben, damit er sich bewegt?“
Es wird Zeit, dass wir die sozialen Sorgen auch in der Klimakommunikation wirklich ernst nehmen und soziale Fragen in der Klimadebatte nicht vorrangig zweckorientiert angehen nach dem Muster: „Wieviel Karotte muss ich dem Esel geben, damit er sich bewegt?“

Der Unterschied zwischen einer Dose geschnittener und einer Dose ungeschnittener Tomaten beträgt fünf Cent im Discounter. Das ist ein Unterschied, der für viele zählt – und auch für mich schon wichtig war. Es wäre gut, zunächst einmal zuzuhören. Zu verstehen. Lebenswelten zu sehen und Menschen wirklich auf Augenhöhe und mit echtem Respekt zu begegnen.

Wenn wir Menschen für Klimaschutz gewinnen wollen, die aufgrund welcher Faktoren auch immer am Rande des Kontoauszugs leben, dann wäre es hilfreich, nicht nur über Klimamaßnahmen und – natürlich notwendige – ausgleichende Sozialpolitiken zu sprechen.

Es wäre gut, zunächst einmal zuzuhören. Zu verstehen. Lebenswelten zu sehen und Menschen wirklich auf Augenhöhe und mit echtem Respekt zu begegnen.

Das Talking Hope Framework: Klimakommunikation als sozialer Prozess
So paradox es klingen mag: Vielleicht sollten wir sogar weniger über das Klima sprechen – um dann besser über Klima sprechen zu können. 

Es ist zielführender, sich von der – letztlich selbstreferentiellen - Fixierung auf die eigenen Überzeugungsziele freizumachen und sich zunächst auf das Gegenüber wirklich einzulassen, um ihm dann wirklich mit Empathie begegnen zu können. Erst dann lassen sich mögliche Klimalösungen später wirklich durch die Brille des Betroffenen entdecken und gestalten.

Was das erfordert, ist vor allem Vertrauen in einen offenen Prozess – etwas, das uns angesichts der Dringlichkeit von Klimaschutz und unserer aktivistischen Motivation eher schwerfällt. Doch am Ende wird uns dies weiterbringen.

Talking Hope hat ein Framework für eine sozial inklusive Klimakommunikation©entwickelt, das hierzu einen Beitrag leistet. Es begreift Kommunikation vor allem als sozialen Prozess und basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Kommunikationspsychologie, Verhaltensforschung, Soziologie und der Sozialen Arbeit, begreift es Kommunikation vor allem als sozialen Prozess.

Vorgestellt wurde das Framework im Rahmen eines Workshops auf dem K3 Kongress zu Klimakommunikation in Graz Ende September zusammen mit einem Rollenspiel, das helfen soll, Brücken zur Verständigung zu bauen.

Der Ansatz: Sozial bewusst und beteiligungsorientiert
Die Aufgabe: Die Teilnehmenden schlüpften in die Rollen evidenzbasiert entwickelter Personas: Da war Evelyn, alleinerziehende Mutter mit schlechtbezahltem Teilzeitjob. Oder Johannes, Angestellter mit knappem Gehalt und hohen Pendlerkosten. Oder die 79-jährige verwitwete Veronika, die in einem schlechtgedämmten kleinen Siedlungshäuschen auf dem Lande mit nur 1.000 Euro Rente durchkommen muss.

Das Fazit eines Teilnehmers: „Ich habe zum ersten Mal wirklich gefühlt und gespürt, was für ein ständiger Kampf der Alltag für diese Frau ist.“ Ein anderer: „Kein Wunder, dass Klimapolitik oder überhaupt Politik dann so weit weg erscheint.“

Das Fazit eines Teilnehmers: „Ich habe zum ersten Mal wirklich gefühlt und gespürt, was für ein ständiger Kampf der Alltag für diese Frau ist.“ Ein anderer: „Kein Wunder, dass Klimapolitik oder überhaupt Politik dann so weit weg erscheint.“

Eine größere soziale Akzeptanz für Klimaschutz braucht zunächst einmal mehr soziale Inklusion – auch in unserer Kommunikation über Klimaschutz.

Klimaschutz ist eine Chance auf einen neuen Gesellschaftsvertrag
Gelingt uns dies, steigen nicht nur unsere Aussichten, die ökologische Wende zu meistern. Die durch die Klimakrise bedingte Transformation zu nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweisen verspricht dann eine viel größere Chance: Sie bietet uns die Möglichkeit zu einem neuen Gesellschaftsvertrag – ein Miteinander, das zugleich mehr soziale Gerechtigkeit und demokratische Beteiligung ermöglicht. Mit einer sozial inklusiven Klimakommunikation können wir dazu beitragen.

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